1 Sekunde Zwickau

Ziemlich am Ende des Postleitzahlenverzeichnisses findet man Zwickau mit seinen 20 (postalischen) Stadtteilen.

Wieder einmal stand eine Stippvisite in einer der „vernachlässigten“ und vermeintlich wenig bemerkenswerten Städte auf dem Programm.

Nur ein paar Kilometer nur von der viel befahrenen Ost-West-Verbindung der A4 entfernt, liegt die viertgrößte Stadt in Sachsen. Touristisch gesehen nicht unbedingt der Knaller. Auch wenn die Stadtväter auf Ihrer Website alles aufbieten, was Zwickau jemals zu bieten hatte, ist es für die jüngere Generation wohl nur die Verbindung zu Sachsenring, dem Produzenten der schon legendären „Rennpappe“, dem Trabant. Die reiferen Jahrgänge bringen die Stadt vielleicht noch mit August Horch in Verbindung, der mit seiner Automobilproduktion (mit drei weiteren Marken) den Grundstock für Audi bildete. Ein sehr traditionsreicher Standort für Kraftfahrzeuge also. Mehr fiel auch mir spontan nicht zu Zwickau ein.Also schnell einmal die Stadt gegoogelt und die Sehenswürdigkeiten herausgesucht. Aufgrund von zeitlichen Zwängen (dazu später mehr) mußte ich mich für eine der in Frage kommenden POI´s entscheiden. Den Ausschlag gab letztlich die Website der Stadt selbst.

Die von sehr unterschiedlicher Qualität beschaffenen Straßen (noch vom Kopfsteinpflaster bis zum perfekten High-Tech-Belag) zeigen die Stärken und Schwächen der Stadt. Dieses Haus zeigt meines Erachtens am einprägsamsten den Gesamtzustand. Fifty:fifty. Und dieser Straßenzug vermittelt das ebenfalls recht anschaulich.

Der städtische Internetauftritt kommt folgendermaßen daher:

Stadtchronik

1118

Erste urkundliche Erwähnung in der von Bischof Dietrich I. von Naumburg ausgestellten Stiftungsurkunde der Marienkirche als Zcwickaw.

1348

Althergebrachte geltende Rechtsgrundsätze werden in einer Pergamenthandschrift mit Buchmalerei zu einem eigenen Stadtrecht zusammengefasst.

1403

Am 20. Mai ereignet sich der größte Stadtbrand in der Geschichte Zwickaus, bei dem fast die gesamte Stadt innerhalb der Ringmauer niederbrennt.

1470

Auf dem Schneeberg werden die großen Silberanbrüche fündig. Die bergmännischen Unternehmer sind vorwiegend Zwickauer Bürger der Rats- und Kaufherrengeschlechter Römer, Federangel, Mühlpfort u.a. Das Silber wird in Zwickau geschmolzen. Zwickau wird Versorgungsbasis der Bergstadt.

1520/22

In Zwickau predigen Thomas Müntzer und Martin Luther.

1523

Einführung der Reformation mit Abschaffung einer Reihe katholischer Zeremonien durch Pfarrer Hausmann.

1702 — 1717

Friederike Caroline Neuber (geboren 1697 in Reichenbach), genannt die Neuberin, verbringt ihre Jugendjahre in Zwickau.

1798

Beginn der Abtragung der alten Stadtmauern, die dem Ausweiten der Stadt im Wege stehen.

1810

Am 08. Juni wird der Komponist Robert Schumann geboren.

1838 — 1839

Beginn des industriellen Abbaus der Zwickauer Steinkohlenvorkommen durch größere Steinkohlenwerke wie den Zwickauer Steinkohlenbau-Verein (gegründet am 30.10.1837), den Erzgebirgischen Steinkohlenaktienverein (gegründet am 03.04.1840), die Zwickauer Bürgergewerkschaft (gegründet am 30.12.1841)

1845

Eröffnung der Eisenbahnlinie Zwickau—Werdau.

Eröffnung der städtischen Sparkasse.

1881

Der Zeugschmied und Feinmechaniker Carl Wolf entwickelt die Benzin-Sicherheitsgrubenlampe.

1904

Beginn des Zwickauer Automobilbaus mit Ansiedelung der A. Horch & Cie. Motorenwerke AG.

1909

August Horch gründet nach seinem Ausscheiden aus der A. Horch & Cie. AG die August Horch Automobilwerke GmbH Auto-Union (Audi).

(klingt ganz interessant!)

1954

Am 10. Juli wird Zwickau von einer schweren Hochwasserkatastrophe betroffen. Die Innenstadt und das längs der Mulde liegende Stadtgebiet werden überschwemmt. Nach Rückgang des Wassers müssen über 2.400 Kubikmeter Schlamm entfernt werden.

1977

Die Martin-Hoop-Schächte stellen als letzte Zwickauer Schachtanlagen die Steinkohlen-förderung ein.

1989

Im Oktober leiten Protestkundgebungen auf dem Hauptmarkt in Zwickau die politische Wende ein. (Das scheint nun jede Stadt und fast jeder Ort für sich in Anspruch zu nehmen)

1991

Am 30. April läuft im Sachsenringwerk der letzte Pkw Trabant vom Montageband. Der traditionsreiche Zwickauer Automobilbau wird von der VW Sachsen GmbH mit ihrem Fahrzeugwerk in Mosel fortgeführt.

Volkswagen ist wohl auch gleichzeitig der größte Arbeitgeber und Sponsor der Region. Zulieferer und der örtliche Handel sowie das Handwerk profitieren von dieser neuen, hochmodernen Fertigung. Letztlich hat man das neue und schmucke Museum auf dem ehemaligen Produktionsgelände

(Vergrößerung:  Fotos bitte anklicken)

der Trabis zu einem Großteil geplant, und finanziert. (Natürlich mit Audi!) Ein Museum was auf mich eine besondere Anziehungskraft ausübte, der ich auch nicht widerstehen konnte.

Hell, freundlich und großzügig präsentiert sich schon das Äußere Erscheinungsbild. Es ist halt neu. Im Eingangsbereich gibt es in großen Glasvitrinen Andenken und Lektüre. Zur glorreichen Geschichte der Auto-Union gehören untrennbar große Namen wie Bernd Rosemeyer, der am 28. Januar 1938 bei einem Rekordversuch in seinem Rennwagen in der Nähe von Mörfelden/Walldorf auf der heutigen A5 ums Leben kam. Und große Ereignisse, die allesamt mit dem Rennsport korrespondieren.

Gleich nach dem Einlass zeigt sich die Autounion in ihrem 50er Jahre Design. Einige der gezeigten Autos sind sicher noch in guter Erinnerung. Damals im Westen eher als DKW denn als Auto Union umgangssprachlich genannt.

Ein Wort zur Ausstellung selbst: der dort betriebene Aufwand ist enorm. Nicht ein einziges Staubkörnchen trübt die Ansicht. Die Wagen insgesamt so aufbereitet, daß man sie als „aus dem Laden“ bezeichnen kann.

Die eigentliche Ausstellung beginnt dann auch gleich mit einem richtigen Knaller.

Zu allen Exponaten gibt es technische Einzelheiten – bis hin zur produzierten Stückzahl.

Bei vielen Ausstellungsstücken wurden passende Poster als Hintergrund montiert, was dem Betrachter die Stimmung nahe bringt.

Es sind etliche Informationsstände und Videoleinwände e.t.c aufgebaut, wo man sich in Ruhe die vielen Stationen der bewegten Geschichte bis fast zum heutigen AUDI ansehen kann.

Auch stilvolles Ambiente – wie hier eine Tankstelle- hilft sehr, in der Zeit zurückzugehen.


Die vier „Quellen“ von Auto-Union sind stilvoll nebeneinander präsentiert.

Der spätere Namensgeber führt das Quartett an:

1. ) Der AUDI

2.) Der DKW

scherzhaft oft als „deutscher Kinderwagen“ bezeichnet.

3.)  Der „Horch“ selbst

4.) und last, but not least, der Wagen von Wanderer aus der Chemnitzer Produktion.

Die Anordnung erfolgte in alphabetischer Reihenfolge. Es folgen viele Höhepunkte automobiler Produktion aus dem Dunstkreis der Auto Union

.

(Weitere Fotos im Anhang.)

Krieg! Zerstörung! 1945!Als Deutschland in zwei Staaten geteilt wurde, liefen die Entwicklungen auseinander. Während der Osten als größte Errungenschaft des Sozialismus den „Trabi“  hochlobte, wurde im Westen in deutlich breiterer Palette entwickelt und produziert.

Der sozialistische Gigantismus sollte auch an der Autoproduktion nicht spurlos vorbeigehen.

Es wurden „Staatskarossen“ entwickelt teilweise nur in minimalster Fertigungszahl produziert. Oder es waren lediglich Erprobungsmuster angefertig worden.

Das Design-„Vorbild“ des großen sozialistischen Bruders  Sowjetunion war unverkennbar.

Mein Rundgang führte ins Untergeschoß, wo der Lobgesang auf den Trabi stattfindet. Ein Film über die Produktion der „Pappmaché“ und Herstellung des Autos sind recht interessant.

Hier das letzte Aufbäumen vor dem endgültigen Aus. Der Trabi ist Geschichte.

Setzt man die Tour fort, kommt man – vorbei an historischen Motorrädern – zu einer tollen Milieu-Präsentation 

Mit verschiedensten Modellen, die man auf der jeweils anderen Seite des eisernen Vorhanges nicht einmal kannte werden zum Schluß sowohl DDR- als auch BRD-Fahrzeuge gezeigt. Unbekannte Größen des ehemaligen Klassenfeindes.

Es ist sicher nicht sinnvoll in einem solchen Bericht alle Exponate zu fotografieren oder noch mehr Einzelheiten preiszugeben. Neugierig wollte ich machen, mehr nicht.

Weiter mit der Chronik:

1994

Am 11. Februar weiht die Isis Pharma GmbH als erstes Unternehmen ihren neuen Firmenkomplex in Zwickaus größtem Gewerbegebiet Kopernikusstraße ein.

1999

Am 28. Mai wird die Regionalbahnteilstrecke Hauptbahnhof—Glück-Auf-Center—Stadtzentrum eingeweiht, am 1. Oktober nimmt die Straßenbahn ihren Linienverkehr zwischen Eckersbach und Schedewitz auf.

2000

Vom 1. bis 3. September richtet Zwickau den 9. „Tag der Sachsen“ aus.

Ende der Chronik. Leider kein Wort zur Entwicklung von Stadt, Bevölkerung und Wirtschaft nach der Wende. An anderer Stelle steht zu lesen:

Mit knapp 100.000 Einwohnern ist Zwickau nach Dresden, Leipzig und Chemnitz die viertgrößte Stadt im Freistaat Sachsen. In Zwickaus Einzugsbereich, leben etwa 480.000 Menschen.

Zwickau liegt verkehrsgünstig zwischen den Autobahnen A 4 (Dresden-Eisenach- Frankfurt/M.) im Norden und der A 72 ( Chemnitz-Plauen-Hof) im Süden. Im Bahnverkehr befindet sich Zwickau an der „Sachsen – Franken – Magistrale“ Chemnitz – Nürnberg. Die beiden sächsischen Großflughäfen Dresden (130 km) und Leipzig (80 km) sowie der im thüringischen Altenburg-Nobitz gelegene Regionalflugplatz (35 km) sind in kurzer Zeit erreichbar. (Lediglich eine Chartergesellschaft startet von hier aus ihre Urlaubsflüge)

Und genau der Aussage, daß die Zentren Leipzig und Dresden schnell zu erreichen wären, ist zu widersprechen. Zumindest für den öffentlichen Personenverkehr der Deutschen Bahn. Die Anbindung Zwickaus (mit dem Rest der Welt) ist aus bahn-technischer Sicht schlichtweg katastrophal zu nennen. Zwickau ist von der DB sträflich vernachlässigt. Das beginnt mit dem Bahnhof. Bis auf einen neuen Warteraum (sehr lobenswert) mit einer echten Kunstpalme und lackierten Holzbänken sowie natürlich ein obligatorisches Reisezentrum hat sich im gesamten Bahnhofsgebäude nichts getan. Halt, das stimmt so nicht: das WC ist nun auch kostenpflichtig und es gibt ein „Heberer-Cafe“. Der Rest ist unverändert sozialistischer Macho-Stil. Die Halle und die Gänge mit Fliesen aus DDR-Produktion verkleidet, natürlich nur die 3. Sorte, weil die bessere Qualität ausschließlich dem Export in westliche Länder vorbehalten war. Devisenbeschaffung.

Weiter muss zur „schnellen Erreichbarkeit“ von Großflughäfen gesagt werden, dass man aufgrund der angebotenen Züge nach Dresden ziemlich genau 2 Stunden und 15 Minuten unterwegs ist. Und das im 1-Stunden-Takt.

Für die 80 Kilometer lange Strecke nach Leipzig (Flughafen Halle/Leipzig) benötigt man -mit einem Umstieg in Leipzig- mindestens eineinhalb Stunden (Abfahrten im 2-Stunden-Turnus) und 2:17 Stunden für schlappe 30 Euronen. Ein Schnäppchen. (Für die DB).

Mit der schnelleren der beiden Reisemöglichkeiten war ich gestern mit dem Regionalexpress unterwegs, um den gebuchten Flieger nach Frankfurt zu bekommen. Von Zwickau –über Leipzig- nach Frankfurt fliegen? Ja, das macht Sinn. Die Bahn benötigt zur gewünschten Reisezeit  weit über 6 Stunden! Die Wertschätzung, die der viertgrößten Stadt Sachsens seitens der Deutschen Bahn zuteil wird, mag man an den Zugverbindungen ablesen. Abseits von den IC und ICE – Strecken bedient man die Region maximal mit einem Regionalexpress.

Die Fahrt nach Leipzig war indes abwechslungsreich und ich legte mein Buch bald zur Seite und griff wieder zur Kamera. Die Landschaft leicht hügelig, eher langweilig. Von besonderem Interesse jedoch war für mich die Entwicklung der etwas ländlicheren Gebiete. Ja weiter man sich von Zwickau entfernte, um so mehr konnte ich solche Bilder sehen. Da glotzten mich marode Fassaden mit ihren leeren Fenstern an, hier war ein Haus gänzlich zusammengebrochen – und niemand kümmert das – da waren riesige Bauernhöfe einfach dem Verfall preisgegeben.

Aber es geht auch anders. Weit mehr als die Hälfte aller kleinen Orte und Städtchen machte aus der Entfernung des fahrenden Zuges  mittlerweile einen frischen, freundlichen Eindruck. Renovierte Häuser, neue Straßenbeläge, Neubaugebiete. 
Hier kommt allmählich der Frühling an, die Landschaft beginnt zu grünen und zu blühen.

Je mehr man sich Leipzig nähert, desto seltener wurde man mit dem  Verfall konfrontiert. Das Licht am Ende des Tunnels?Ich glaube und hoffe ja!