Guten Tag, zum Alex, bitte. So begrüßte ich den Taxifahrer, der mich beim Kunden abholte.
Vor dem Rückflug, hatten die Götter den Hunger erfunden. Der restliche Sonntagskuchen vom ersten und einzigen Frühstück wollte partout nicht lange anhalten. Schon seit Stunden plagte mich ein bodenloses Loch in der Magengegend. Deshalb auch zum Alexanderplatz. Dort hatte ich letzte Woche den schon fast fertiggestellten Weihnachtsmarkt entdeckt. Da gibt´s mit Sicherheit genügend Füllstoff.
Schon die Fahrt mit dem Integrations-‚Chauffeur war ein reines Vergnügen. Er fuhr vom östlichsten Osten Berlins mit einem recht markanten Fahrstil Richtung Downtown. Er benutzte das Binärgas. ( Es gibt lediglich NULL und EINS. ) Ich bin sicher kein zaghafter Autofahrer, aber das war wirklich eine Vorstellung, die man nicht versäumt haben sollte. Ein vorsichtiger Blick auf die Nadel zeigte teilweise bis zur 100er -Marke. Allerdings nur bis zur nächsten Ampel. Die zeigte aus einleuchtenden Gründen ROT. Es nutzte dann die Binärbremse. Logisch – oder? Und unterhaltsam war er auch. Mit rackiger (rauchzart) Stimme und neudeutschem Akzent versuchte er Konversation zu machen. Es hätte sich besser mit der riesigen Ikone unterhalten, die er auf dem Armaturenbrett angetackert hatte. Meine rumänischen Sprachkenntnisse, ich muß es gestehen, sind leider nicht so perfekt, wie es eine Taxifahrt in Berlin voraussetzt. Auch mein Tinnitus verhinderte tiefschürfende Antworten, weil die wenigen verständlichen Worte, die es bis an mein Ohr schafften, vom Pfeifton des Teekessels niedergemacht wurden. Apropos Tee – Ein Jagertee wäre auch eine Idee…..
Kurz vorm Ziel, an einer roten Ampel (!) hampelte ein Mann auf der Fahrbahn herum. Man muß Taxidriver sein, um die rudernde Armbewegung richtig zu deuten. Der arme Kerl suchte ein Taxi. Frage vom Piloten, ob ich Einwände hätte, die „Person“ mitzunehmen. Erst jetzt kam der Blutdruck wieder in die Region, die ein halbwegs rationales Denken zuläßt. Ich nickte. Und schon riß der Kerl am Steuer die Beifahrertür auf und brüllte auf den Unwissenden ein, daß er mitfahren könne. Der wiederum stürmte auf die hintere Sitzreihe zu und war recht erstaunt, daß da ein Uffnik saß, der sämtliche Griffe mit stahlharter Faust umschlossen hielt. Man will ja schließlich nicht das binäre Gleichgewicht verlieren. Die Ampel wurde grün und irgendwie schaffte „die Person“ den Einstieg dann doch noch. Und schon ging es im gewohnten Fahrstil die restlichen 200 Meter weiter. Mit kurzem, aber durchdringendem Pfiff blieb die Droschke stehen. „Sie brauchen sicher eine Quittung“ wurde ich schon während der Fahrt gefragt 😉 – ein Schelm, wer böses denkt. Die Quittung war schon lange fertig, bevor das Ziel erreicht war. Was es kosten durfte, war mir allerdings von etlichen vorangegangenen Besuchen bekannt. Die Rotphasen der unzähligen Ampeln nutze er für die Schätzung und den Schreibkram.
Ich war doch recht froh, daß das Frühstück nicht so lange angehalten hatte. So ein digitaler Taxi-Trip braucht einen leeren Magen.
Zu Füßen des roten Rathauses breitet sich einer der Weihnachtsmärkte aus.
Vor Einbruch der Dunkelheit übt ein solcher Auflauf nicht den geringsten Magnetismus aus. Es sei denn, man hat Hunger. Das Getümmel war – kurz nach der Eröffnung- noch recht überschaubar. Keiner, der Zuckerwatte auf der Jacke verteilt, niemand, der Glühwein überkippt oder Jagertee verstolpert. So führte mich mein Weg auch von handwerklich geprägten Ständen
über eine Fischräucherei
dann doch erst einmal zum Glühwein. Am ersten Stand war er, glaube ich, am leckersten.
Durst ist bekanntlich schlimmer als Heimweh. So kam auch der Hunger erst an zweiter Stelle wieder zum Vorschein. Nach dem Aperitif mußte es etwas Handfestes sein. Was liegt näher, als dem laut schwelenden Streit um die beste Curry-Wurst Deutschland einmal eine persönliche Richtung zu verpassen. Meinen letzten Favoriten hatte ich mit Freund Malte in Hamburg bei einer Neueröffnung entdeckt.
Sehr lange mußte ich nicht suchen. Echte zeichnen sich dadurch aus, daß sie ohne Pelle daherkommen. Nicht einfach eine Bratwurt zerkleinern und ein büschen Krams drauf. Nee, so muß Curry-Wurst:
Was soll ich sagen, das war einfach prima. Oder war es nur der überdimensionale Hunger, der es hinunter trieb? Wie dem auch sei, scharf war´s allemal. Da hilft sicher ein Glühwein.
Mir ging es wieder gut. Allerdings begann sich die Welt zu drehen. Grell und bunt
hier war ich doch schon ´mal…
Ein Vorteil von Glühwein ist, daß man mit etwas Übung selbst Radiowellen wahrnehmen kann. Fernsehen ist schon etwas schwieriger. Aber hier läuft gerade „Schlechte Zeiten, schlechte Zeiten…“
Weiter führt der Weg über den Weihnachtsbasar.
Das Kreiseln wollte kein Ende nehmen. Das sagte sich sicher auch das kleine Pony, daß ohne Kommando hinter den anderen anderen her rannte.
Santa hatte sich gerade mal eine Pause gegönnt, ich glaube, ich habe ihn beim Glühwein gesehen. Sein Gefährt parkte er aber noch vorschriftsmäßig, bevor der Durscht ihn übermannte.
Als mich dann zum vierten Mal das galoppierende Schwein überholte und mir auch noch hämisch grinsend die Zunge herausstreckte, wußte ich, daß es Zeit wurde zu gehen. Meine Begeisterung für Weihnachtsmärkte hält sich in Grenzen. Aber ich habe ja auch noch 4 Wochen Zeit ein Fan zu werden.